Naturschützer, Klimaschutz und die Umkehrung der Mephistopheles-Maxime:

Eine Betrachtung zum Stegskopf

von Friedrich Hagemann

Faust: Nun gut, wer bist Du denn?
Mephistopheles: Ein Teil von jener Kraft,
die stets das Böse will und stets das Gute schafft.

Aus: Faust, der Tragödie Erster Teil

1   Traum oder Trauma

Es liegt nur wenige Monate zurück, dass der Vorsitzende eines rheinland-pfälzischen Umweltverbandes glaubte, einen „Traumtag“ zu erleben. Er meinte damit denjenigen Tag, an dem ein Staatssekretär im Umweltministerium verkündete, dass der ehemalige Truppenübungsplatz Daaden, hierzulande bekannter unter der Bezeichnung „Stegskopf“, in das Nationale Naturerbe aufgenommen werden solle. Die Fläche, um die es sich dabei handelt, umfasst rund 2.000 Hektar und war zu einem Teil als Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Gebiet, zu einem weiteren Teil als Vogelschutzgebiet (SPA) ausgewiesen.

War dieser Tag wirklich ein Traumtag oder eher der Tag eines Alptraums? Zur Beantwortung dieser Frage soll nicht den Behauptungen nachgegangen werden, dass die Aufnahme des Stegskopfs in das nationale Naturerbe auf einem anrüchigen Deal zwischen BUND und BImA beruht, denn ein anrüchiges Verfahren muss nicht in jedem Fall zu einer sachlich falschen Entscheidung führen. Die Beantwortung der Frage muss sich vielmehr damit befassen, wie sich Naturschutz und Klimaschutz zueinander verhalten und ob die angekündigte Entscheidung des Bundesumweltministeriums in diesem Spannungsfeld die Richtige ist. Denn die einzige ernstlich in der Öffentlichkeit diskutierte Alternative zu dem Pauschalschutz des „Stegskopfs“ war die Errichtung eines Windparks am Westende des Gebiets, mit dessen Einnahmen die erforderlichen landespflegerischen Maßnahmen in den unter Schutz zu stellenden Bereichen hätten finanziert werden können. Und dass der Ausbau der Windenergie eine Maßnahme des Klimaschutzes ist, wird selbst von solchen Naturschutzverbänden, die mit der Windenergie eine „industrielle Überformung der Landschaft“ verbinden, nicht in Frage gestellt. Kein Zweifel, Klimaschutzmaßnahmen wie Windparks sind mit Eingriffen in die Natur verbunden. Aber greift nicht auch das Klima oder eine Veränderung desselben in die Natur ein? Mit dieser Frage müssen wir uns zuerst befassen.

2   Die Abkehr von der Nachhaltigkeit

Viele Hunderttausend Jahre war der Mensch in der Lebensform eines Jägers und Sammlers Teil des Ökosystems Erde. Erst vor rund 10.000 Jahren änderte sich sein Umgang mit dem Ökosystem. Es begann mit der Sesshaftigkeit, mit dem Ackerbau, mit einer gezielten Einwirkung auf den Boden. Diese veränderte Form des Wirtschaftens gefährdete indes noch nicht das Ökosystem Erde. Erst mit der Nutzung der fossilen Energieträger vor rund 200 Jahren veränderte der Mensch seinen Umgang mit dem Ökosystem in einer Weise, die gefährlich werden konnte. Die Verlockung der fossilen Rohstoffe und ihre scheinbaren Vorteile waren so groß, dass sie in einem Zeitraum von weniger als 100 Jahren die bis dahin ausschließlich genutzten regenerativen Energieträger, in erster Linie Holz, zurückdrängten. Dies war der ökologische Sündenfall, der Abschied von einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise. Es ist eine Ironie der Kulturgeschichte, dass sich durch diese fundamentale Abkehr von der Nachhaltigkeit – einem Begriff aus der Forstwirtschaft – die damals übernutzten Wälder wieder erholen konnten.

In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts trat der Kippeffekt ein, dass die Fossilen die Regenerativen überholten. Und seitdem haben wir – parallel zu der zunehmenden Verbrennung von Kohle, Öl und Gas – den unaufhaltsamen Anstieg des Kohlendioxids (CO2) in der Atmosphäre. Der über Jahrtausende stabile Anteil von 280 parts per million (ppm) CO2 an der Luft ist auf inzwischen über 400 ppm angestiegen. Damit einher ging die Intensivierung der Landnutzung, die Zerschneidung der Lebensräume und damit verbunden ein massiver Rückgang der Artenvielfalt.

Ziel aller internationalen Vereinbarungen seit Rio ist die Begrenzung des CO2-Anstiegs auf 550 ppm, also etwa das doppelte zu dem Zustand bis zum Jahr 1800 – ein Ziel, mit dem die globale Erwärmung um 2 bis 3 Grad schon in Kauf genommen wird. Ein Ziel aber auch, welches bei der wachsenden Erdbevölkerung und der begonnenen schnellen wirtschaftlichen Entwicklung in Asien, Afrika und Lateinamerika (wenn überhaupt) nur mit größten Anstrengungen der höchstentwickelten Industrieländer zu erreichen ist. Angesichts der Evidenz, dass die nicht nachhaltige atomar-fossile Wirtschaft unsere natürlichen Lebensgrundlagen zerstört, wird man dieses Ziel wohl kaum als amditioniert bezeichnen können.

3   Die Auswirkungen des Klimawandels und der Naturschutz

Natürliche Schwankungen des Klimas hat es immer gegeben. Aber es hat noch nie eine so schnelle Veränderung des Klimas gegeben wie seit dem 20. Jahrhundert. Die Beschleunigung der Erderwärmung wird nach der fast einhelligen Ansicht der Forschung durch die Treibhausgase, also vor allem das CO2, verursacht.

Global betrachtet sind die Auswirkungen des Klimawandels durchaus unterschiedlich. Während für viele Staaten der Anstieg des Meeresspiegels (Bangla Desh) oder die Zunahme der Zahl und Intensität von Stürmen (Philippinen) eine die dortigen Zivilisation bedrohende Gefahr darstellen, sind die Folgen für Deutschland weniger schwer. Natürlich werden die fünf deutschen Alpengletscher, deren Fläche sich seit 1850 schon um 60 % reduziert hat, gänzlich verschwinden. Aber was z.B. die Vogelarten angeht, wird prognostiziert, dass mehr Arten auf Grund der Erwärmung zuwandern als aus Deutschland verschwinden. Die Zugvögel haben ihr Verhalten massiv verändert. Sie verweilen jetzt etwa einen Monat länger in Deutschland als noch in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und einzelne Zugvogelarten werden sogar zu Standvögeln. Durch den Anstieg des CO2-Gehalts der Luft steigt auch bei manchen Pflanzen die Photosyntheseleistung, was aber mit Qualitätseinbußen (z.B. Mengenanstieg beim Weizen, dessen Proteingehalt dabei sinkt) verbunden sein kann. Was jedermann beobachten kann, sind die Veränderungen im jahreszeitlichen Verlauf von biologischen Prozessen wie die zeitliche Vorverlagerung von Blattaustrieb, Blüte und Fruchtreife, Verspätung der Blattfärbung im Herbst und somit Verlängerungen von Vegetationsperioden.

Dadurch, dass sich die Niederschlagsverteilung im Jahresverlauf verändert, kommt es zu mehr Sommerdürren und häufigeren Hochwassern im Winter. Es wandern Insekten ein, welche Krankheitserreger verbreiten, oder Pflanzen, die Allergien auslösen (Beifußambrosie). Nicht so schnell wandern können die Bäume. So haben denn auch bei den häufigsten Baumarten in Deutschland, der Fichte und der Buche, die Nadel- und Blattverluste erheblich zugenommen. Sie reagieren also gestresst. Andererseits verschiebt sich die Baumgrenze nach Norden und in den Alpen in immer höhere Lagen; eher wärmeliebende Baumarten wie die Kiefer könnten von einer Erwärmung profitieren.

4   Klimawandel und Natura 2000-Gebiete

Auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Natura 2000-Gebiete wurden zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gemacht. Die Risikoabschätzungen in Bezug auf FFH-Gebiete für die Pflanzenwelt und ihre Areale haben ergeben, dass die potenziellen relativen Verluste an Arealen größer sind als die Arealgewinne und auch bei den Zahlen der vorkommenden Pflanzen- und Pilzarten die durch den Klimawandel verursachten Verluste die Gewinne übersteigen werden. Die größten potenziellen Verluste werden bei den Mooren und bei der gemäßigten Heide- und Buschvegetation erwartet. Was die Vogelwelt, also den mobilsten Teil der Tierwelt, betrifft, so haben Untersuchungen ergeben, dass infolge des Klimawandels bei einem Temperaturanstieg um 2,7 Grad im Zeitraum bis 2045 – 2055 in einzelnen Regionen in Deutschland ein Wegzug der Arten aus den Vogelschutzgebieten von bis zu 50 % möglich ist. Für die Region, in welcher der Stegskopf gelegen ist, besagt dieselbe Studie, dass bei der Zahl der Vogelarten ein Rückgang von 39 – 48 % zu erwarten ist. Wir sehen also: Der Klimawandel greift in massiver Weise in den Naturhaushalt ein. Er macht keinen Bogen um die Natura 2000-Gebiete.

Gleichgültig, ob die eine oder andere Veränderung für Tier- und Pflanzenwelt und Ökosysteme, die durch die Klimaveränderung bewirkt wird, als eher positiv oder eher negativ bewertet wird, ist festzustellen, dass die Veränderung Stress für den Naturhaushalt bedeutet. Umgekehrt bedeutet eine Verlangsamung des Temperaturanstiegs auch eine Stressverminderung für den Naturhaushalt. Wer den Stress von der Natur abhalten will, wer die Artenvielfalt und die Vielfalt der in Deutschland vorhandenen Habitate schützen will, kommt nicht daran vorbei, sich auch für den Klimaschutz zu engagieren; das Bundesamt für Naturschutz nennt die Abschwächung des Klimawandels als wichtigste Handlungsoption – noch vor der Unterstützung der Widerstands- und Anpassungsfähigkeit der Biodiversität. Dieses Engagement für Klimaschutz ist möglich: Durch einen konsequenten Einsatz für Energieeinsparung, Energieeffizienz und die Erneuerbaren. Auf keinen dieser drei Bausteine kann verzichtet werden.

5   Die Bedeutung des Stegskopfs

Wenn es also evident ist, dass der Ausbau der Erneuerbaren einer der drei Bausteine ist, die für den zukünftigen Erhalt der Natura 2000-Gebiete erforderlich sind, stellt sich die Frage, weshalb seitens der Umweltverbände in Rheinland-Pfalz dafür gekämpft wird, den Stegskopf von der Windkraftnutzung freizuhalten. Zunächst schwingt da ein Stück Nostalgie mit: In einem Flugblatt der Verbände heißt es, dass das Gebiet den Charakter „noch die Landschaft vor 100 bis 200 Jahren“ widerspiegele und der „historische Huteweidencharakter“ erhalten bleiben müsse. Im Übrigen greifen die Verbände auf die Gründe zurück, weshalb der Stegskopf als Schutzgebiet ausgewiesen wurde: Dort sind verschiedene nach dem Anhang I der FFH-Richtlinie geschützte Buchenwaldarten, Moor- und Auenwälder, Übergangs- und Schwingrasenmoore, Magerweiden und einige andere Lebensraumtypen vorhanden, die die Ausweisung als FFH-Gebiet begründet haben. Unter den Vogelarten des Gebiets werden von den Verbänden Singvögel (Braun- und Schwarzkehlchen), Greifvögel (Rot- und Schwarzmilan), Schreitvögel (Schwarzstorch), Rabenvögel (Kolkrabe), Hühnervögel (Haselhuhn) und Stelzvögel (Bekassine) und verschiedene Spechtarten angeführt, ferner die Wildkatze, Fledermausarten und diverse Falterarten. Die Vielfalt der Arten, auch der seltenen, und der Lebensräume ist so groß, dass das Gebiet zu Recht als schutzwürdig betrachtet wird. Dies wurde auch vom Land Rheinland-Pfalz so gesehen, weshalb geplant wurde, den größeren Teil des früheren Übungsplatzes als Naturschutzgebiet auszuweisen.

6   Naturschutzgebiete und Natura 2000-Gebiete

Was ist der Unterschied zwischen Naturschutz- und Natura 2000-Gebieten? Die Definitionen enthält das Bundesnaturschutzgesetz. Vereinfacht gesagt: Naturschutzgebiete genießen einen höheren gesetzlichen Schutz als Natura 2000-Gebiete. Und Naturschutzgebiete sind in aller Regel von kleinerem Zuschnitt, während der Gedanke von Natura 2000 gerade der ist, ein großes, zusammenhängendes Flächennetz zur Erhaltung der Artenvielfalt zu schaffen. Der Windenenergieerlass der Landesregierung von Rheinland-Pfalz schließt den Bau von Windkraftanlagen in Naturschutzgebieten kategorisch aus. In Natura 2000-Gebieten ist dagegen die Verwirklichung von Vorhaben erlaubt, es sei denn, dass sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten den Schutzzweck des Gebiets erheblich beeinträchtigen. Diese landesrechtliche Regelung entspricht exakt den europarechtlichen Vorgaben.

Diese gesetzliche Unterscheidung im Schutzstatus war es, welche die anerkannten Naturschutzverbände in Rheinland-Pfalz auf den Plan gerufen hat. Sie kämpfen dafür, dass alle Natura 2000-Gebiete, also z.B. auch der Giebelwald, von Windkraft verschont bleiben, also wie Naturschutzgebiete behandelt werden. Von daher war es auch nur konsequent, dass die Verbände auch die Ausweisung des Stegskopfs als Naturschutzgebiet beantragten. Sie berufen sich dabei auf das Land Nordrhein-Westfalen, welches für sein Gebiet den Bau von Windkraftanlagen in Natura 2000-Gebieten ausgeschlossen hat. Indes verkennen die Verbände, dass die Gesetzeslage eine andere ist, also der Natura-Status nicht bauliche Eingriffe ausschließt. Dass Nordrhein-Westfalen hier anders vorgeht als Rheinland-Pfalz, erscheint durchaus sinnvoll. Denn Nordrhein-Westfalen ist von seiner Fläche her fast doppelt so groß wie Rheinland-Pfalz, hat aber weniger Flächen für Natura 2000-Gebiete ausgewiesen, was nicht zuletzt auf der hohen Bevölkerungsdichte beruht. Bei uns sind knapp 20 % der Landesfläche Teil des Netzwerks, in NRW deutlich weniger als 10 %. Dies ist ein triftiger Grund für eine unterschiedliche Handhabung. Auch der BUND in Hessen scheint das so zu sehen, denn er engagiert sich für den Bau von Windkraft in Natura 2000-Gebieten.

Die ganze Auseinandersetzung zwischen Windkraftbefürwortern und Naturschützern am Stegskopf lässt sich auf die Frage reduzieren, ob ein Pauschalschutz von Natura 2000-Gebieten angeordnet werden soll oder ob Einzelfallprüfungen in Bezug auf den Schutzzweck des Gebiets stattfinden sollten. Denn selbstverständlich ist jeder Bauinteressent einer Windkraftanlage an das geltende Recht gebunden, wonach dem Artenschutz bei der Realisierung von Vorhaben Rechnung getragen werden muss. Ob das Artenschutzrecht in seiner jetzigen Ausprägung angemessen ist, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Auseinandersetzung um den Stegskopf gar nicht so sehr als ein Problem dar, bei dem es um den Schutz einzelner Arten oder die Erhaltung der Artenvielfalt geht. Vielmehr geht es darum, ob ein pauschaler Schutz erfolgt, der sich allein an den alten Grenzen des Truppenübungsplatzes orientiert, oder ein überwiegender Pauschalschutz (für den für das Naturschutzgebiet vorgesehenen Teil) angeordnet wird, verbunden mit einzelfallbezogenen Schutzprüfung auf der übrigen Fläche.

7  Naturschützer und Klimawandel

In den vergangenen Jahren ist der Klimawandel wegen seiner oben (unter 3 und 4) aufgezeigten Auswirkungen auf Ökosysteme verstärkt in das Zentrum einer öffentlichen, vielfach von der Wissenschaft angestoßenen Diskussion getreten. Diese Diskussion ist freilich bei vielen der (vor allem ehrenamtlichen) Naturschützer nicht oder noch nicht angekommen. Sie blenden schlicht aus, dass das Klima der wichtigste Faktor für das großräumige Vorkommen von Arten ist. Um es mit den Worten des – vermutlich einer Parteinahme unverdächtigen – Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zu sagen: „Dass der rasch voranschreitende Klimawandel in der Lage ist, die Rahmenbedingungen für Naturschutz nachhaltig zu verändern, dringt nur zögerlich ins Bewusstsein vieler Naturschützer.“ Sie begreifen die Natur mit allen ihren Erscheinungsformen, Ökosystemen, Habitaten und Arten als etwas Statisches, worüber sie eine große Käseglocke stülpen wollen. Das BfN zitiert Äußerungen von Ehrenamtlern („Ich will aber, dass diese Arten der Mittelgebirgshochflächen auch in Zukunft noch dort vorkommen“ oder: „Warten wir mal ab, so dramatisch kommt es [gemeint: der Klimawandel] am Ende wie meist doch nicht“), welche die Annahme nahe legen, dass diese nicht erfasst haben, dass nur die wenigsten Arten in allen Klimaregionen existieren können, also die Mehrheit der Arten bestimmte klimatische Bedingungen benötigt und eine Veränderung dieser Bedingungen zu Zuwanderung und Abwanderung oder dem Aussterben führt.

Die bei manchen Naturschützern zu beobachtende Neigung, die Bedeutung des Klimawandels für den Naturschutz klein zu reden, mag bisweilen auch darauf beruhen, dass es bequemer ist, sich nicht mit den Folgen des Klimawandels und der Frage auseinanderzusetzen, inwieweit sie selbst als Ehrenamtler durch ihren Lebensstil, der sich meistens nicht von dem in unserer Gesellschaft Üblichen unterscheidet (bedenkenloses Autofahren, Flugfernreisen, exzessiver Stromverbrauch, Fleischverzehr, Wegwerfkultur), zu der Zerstörung der von ihnen geliebten Schutzgebiete beitragen. Und es ist kein Zufall, dass sich in den Reihen engagierter Naturschützer auch „Klimaskeptiker“, also Leugner des Klimawandels, befinden.

8   Die Lösung: Das Schutzgebietsmanagement

Was folgt aus alldem? Nach meinem Dafürhalten ging die ganze Diskussion um den Stegskopf in die falsche Richtung. Es wurde von den anerkannten Verbänden in RLP die weitgehende Forderung nach Pauschalschutz von Natura 2000-Gebieten aufgestellt, die in anderen Bundesländern von den Verbänden nicht mitgetragen wird. Durch die Gunst der Stunde scheint es ihnen gelungen zu sein, ihre Maximalforderung am Stegskopf durchzusetzen. Sie haben erreicht, dass das Gebiet auch nicht an seinem Westrand, wo schon Windkraftanlagen stehen, für die Windkraft genutzt werden kann. Aber was sie nicht erreichen können, ist, dass das Gebiet so bleibt wie es ist. Werden die Hainsimsen-Buchenwälder und die Waldmeister-Buchenwälder, werden die Moore und Feuchthabitate den ausbleibenden Sommerregen überleben? Welche Vogelarten werden dableiben? Welche werden abwandern? Das kann nicht durch Naturschutz reguliert werden, sondern hängt von dem Klimaregime ab. Wer glaubt, dass alles so bleibt wie es ist, wenn man nur die Windkraft abwehrt, der irrt. Und Nostalgie bei der Betrachtung einer nicht nur jahreszeitlich in ständiger Veränderung befindlichen Kulturlandschaft ist zwar verständlich, aber kein Lösungsansatz.

Die Naturschützer haben sich – in Umkehrung der Maxime des Mephistopheles – als ein Teil von jener Kraft erwiesen, die stets das Gute will … Aber schaffen sie das auch? Können nicht die Effekte eines falsch verstandenen Naturschutzes zerstörerisch sein? Ja, das können sie. Es reicht nicht, dass Ehrenamtler nur das Gute anstreben. Sie müssen sich auch fachlich damit auseinandersetzen, dass ihr gut gemeintes Handeln das Gegenteil des von ihnen Gewollten hervorrufen kann.

Müssen wir uns mit einer Veränderung des Charakters der Natura 2000-Gebiete abfinden? Zu einem Teil sicherlich, denn die Klimaveränderung ist in den nächsten Jahrzehnten nicht aufzuhalten, sondern nur zu verlangsamen und zu begrenzen.

Gibt es keine Lösung für einen Erhalt der Natura 2000-Gebiete mit ihrer herrlichen Artenvielfalt? Doch die gibt es. Aber die Lösung ist nicht der Pauschalschutz, den die rheinlandpfälzischen Verbände sich auf die Fahnen geschrieben haben, sondern ein Schutzgebietsmanagement, wie es vom Bundesamt für Naturschutz gefordert wird.

Das BfN beklagt, dass es bislang in den wenigsten Natura 2000-Gebieten Managementpläne gibt, die darauf abzielen, den Naturschutz an den Klimawandel anzupassen. Vor allem für die Wälder, die bei den rheinland-pfälzischen Natura 2000-Flächen einen erheblichen Anteil ausmachen, muss das Management so betrieben werden, dass bei der Waldverjüngung die Frage nach der Anpassungsfähigkeit des zukünftigen Bestandes beantwortet wird, die Zusammensetzung der Baumarten geprüft wird, Kahlschläge vermieden werden und die Resilienz von Waldökosystemen gegenüber Trockenstress durch Erhaltung eines Baumkronendachs gestärkt wird. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung hat die Forstverwaltung in Rheinland-Pfalz bereits unternommen: Die Bewirtschaftung der Wälder nach dem derzeit besten internationalen Standard, genannt Forest Stewardship Council (FSC).

Nehmen wir von den zahlreichen schutzwürdigen Arten, die auf dem Truppenübungsplatz vorkommen, nur diejenigen als Beispiel für das Potential des Schutzgebietsmanagements, die in der Artenliste des Bundesamtes für Naturschutz zu den 40 Arten des „Förderschwerpunkts Verantwortungsarten“ gezählt werden, also den Arten, die in Deutschland – z.B. wegen endemischer Vorkommen – besonders geschützt werden sollen. Dies sind die Wildkatze, der Mittelspecht und der Rotmilan. Hier kann das Schutzgebietsmanagement einen gezielten Habitatschutz für die Brut- und Nahrungshabitate gewährleisten:

Die Wildkatze (unterstellt, dass diese scheue und störungsempfindliche Art die Störungen des Übungsplatzbetriebs tatsächlich überstanden hat und dort wirklich vorkommt) ist bedroht durch Zerschneidung und Zersiedelung der Landschaft und lebt ausschließlich in ruhigen und intakten Laub- und Michwäldern mit Altholzbeständen, wo sie in alten Baumhöhlen oder verlassenen Fuchsbauten ihre Jungen großzieht. Der Mittelspecht braucht als Lebensraum Mittelwälder, d.h. Wälder mit Ober- und Unterholz, Eichen- oder Hainbuchenwälder, möglichst Altbestände und Höhlen in Totholz. Bei diesen Arten ist also auf dem großen Gebiet des Stegskopfs die FSC-Bewirtschaftung mit der Ausdehnung der Alt- und Totholzbestände unmittelbar hilfreich. Der Rotmilan bevorzugt an Offenland angrenzende Waldränder oder Agrarlandschaften mit Feldgehölzen. Auch das bietet der Stegskopf. Aber wichtig für alle drei „Förderschwerpunktarten“ ist eben die Erhaltung der Lebensräume durch ein entsprechendes Management.

Nachtrag

Das Schutzgebietsmanagement kostet Geld. Die von den am Stegskopf gelegenen Gemeinden favorisierte Idee war die, dass die Pachteinnahmen aus dem Betrieb eines Windparks für die landespflegerischen Maßnahmen verwendet werden sollten. Solche Einnahmen würden auch ausreichen, die Kosten des Schutzgebietsmanagements abzudecken. Was nicht passieren darf, ist, dass der Stegskopf weiter herunterkommt. Denn schon jetzt stellt sich das Herz des Stegskopfs, das „Geschwämm“, als ein Salweidenwald dar, der dringend zurückgeschnitten werden muss, will man die dortige Vielfalt erhalten.