24. Februar 2012, 17:37 Uhr Solar-Förderkürzung
Warum RWE, Eon und Co. jetzt aufatmen
Von Nils-Viktor Sorge
Die Förderung für Fotovoltaik wird deutlich gekürzt – für die deutschen
Energieversorger ist das eine gute Nachricht. Stetig steigende Solarstrommengen
stellen sie vor ernste Probleme. Außerdem kommen die Konzerne nun künftig selbst
in den Genuss erheblicher Subventionen.
Hamburg – Als beste Freunde der erneuerbaren Energien galten die Topmanager der
großen deutschen Versorger nie. In den 80er-Jahren erklärten sie, Wind und Sonne
könnten auch in ferner Zukunft keinen nennenswerten Anteil der Stromerzeugung
übernehmen. Sie bauten ein riesiges Windrad namens Growian – um zu zeigen,
„dass es eben nicht geht“, wie von RWE-Vorstand Günther Klätte überliefert ist.
Diese historische Fehleinschätzung kostet die Konzerne heute Milliarden. Die
Erneuerbaren tragen jede fünfte Kilowattstunde zum deutschen Strommix bei, unter
gütiger Mithilfe des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). RWE , Eon , Vattenfall
und EnBW profitieren mangels rechtzeitiger Investitionen kaum und müssen zu allem
Übel auch noch ihre Kraftwerke regelmäßig drosseln, weil Sonne, Wind und Co.
Vorfahrt im Netz haben.
Da kommt die drastische Förderkürzung für Solarstrom vielleicht gerade noch
rechtzeitig. Sie wird den Zubau von Fotovoltaikanlagen wohl deutlich begrenzen. Das
verschafft den Versorgern etwas Luft bei ihrem verzweifelten Versuch, nach dem Atomausstieg ihren Platz in der neuen deutschen Energiewelt zu finden.
Solarstrom ersetzt 15 bis 20 Großkraftwerke und drückt Preise
„Die Förderkürzung ist tendenziell positiv für die großen Versorger“, sagt Analyst Sven Diermeier von Independent Research. Ihre Kraftwerke könnten nun häufiger ins Netz einspeisen als ohne die Subventionsbremse für Solar.
Das rasante Wachstum der Solarenergie hatte den Konzernen zunehmend Kopfschmerzen bereitet. Auf gigantische 25.000 Megawatt ist allein die Erzeugungskapazität der Fotovoltaik in Deutschland zuletzt angeschwollen. An sonnigen Tagen ersetzt der Solarstrom rechnerisch 15-20 Großkraftwerke.
Zuletzt drohte ein weiterer massiver Zubau, weil die Solartechnik rasante Fortschritte macht und ständig günstiger wird. Das hätte die Kalkulationen der Konzerne vollends auf den Kopf gestellt.
„Solarstrom wirkt doppelt negativ für die Versorger“, sagt Analyst Diermeier. Ausgerechnet Mittags, wenn Strom traditionell am teuersten war, müssen die Leute von RWE, Eon, Vattenfall und EnBW schon heute viele Kraftwerke drosseln. Dann
sehen sie zu, wie die Preise sinken und andere Geld mit der Stromerzeugung verdienen. „Auslastung und Rendite der einzelnen Kraftwerke sind durch das große Angebot an Strom aus erneuerbaren Quellen betroffen“, heißt es bei einem Energiekonzern.
Um drei Euro hat sich der Preis pro Megawattstunde Spitzenlaststrom im vergangenen Sommer durch die Solarenergie durchschnittlich verbilligt, das sind grob 5 Prozent. An manchen Tagen rutschten die Notierungen sogar in den negativen Bereich, weil auch ein starker Wind wehte. Zwar verkaufen die Versorger einen Großteil ihres Stroms über Langfristkontrakte. Doch auch diese geraten durch die häufigen Stromschwemmen unter Druck.
„Der Strom aus erneuerbaren Quellen ist für die großen Kraftwerksbetreiber ein absoluter Störfaktor“, sagt Analyst Pascal Göttmann von der Münchener Bank Merck Finck. Vor allem der Einsatz von Gaskraftwerken sei unrentabel geworden.
Auch die Milliardeninvestitionen in neue Kohlekraftwerke rentieren womöglich sich schlechter als ursprünglich geplant. „Für neue Großkraftwerke bedeutet der rasante Zubau der erneuerbaren Energien ein kalkulatorischen Risiko“, sagt Göttmann.
Freie Bahn für Kohlestrom
EnBW baut beispielsweise eine Anlage in Karlsruhe. Eon hofft noch immer auf die Fertigstellung des Kraftwerks in Datteln. Vattenfall baut in Hamburg, und RWE nimmt derzeit ein 2200-Megawatt-Braunkohlekraftwerk südwestlich von Düsseldorf in Betrieb. Allen Anlagen ist gemein, dass sie sich besser herauf- und herunterfahren lassen als ihre recht unflexiblen Vorgänger. Doch schadet oder nutzt das zu erwartende Hin und Her?
„Die neuen Kohleblöcke werden sich umso mehr lohnen, je weniger Strom aus erneuerbaren Energien eingespeist wird“, sagt Analyst Diermeier. „Deutlich noch mehr Solarstrom würde die Rentabilität der Anlagen belasten.“
Die Förderkürzung entspannt die Lage zumindest vorläufig. Ohne weitere Förderkürzungen geht der Boom der aber Erneuerbaren weiter, erwartet Energieexperte Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). „Bis zum Jahr 2015 werden wir unsere gesamte Spitzenlast im Sommer mit Solar- und Windenergie decken.“ Der Strompreis fällt dann weiter, noch mehr konventionelle Kraftwerke müssen vom Netz.
Immerhin profitieren die Versorger langsam selbst vom Vormarsch der Erneuerbaren. Alle setzen auf den Ausbau der Windenergie im Meer und planen große Parks. „Diese Ausrichtung macht sich jetzt bezahlt“, sagt Göttmann. Mit einiger Verspätung gliedern sich die Konzerne nun geballt in die Reihe der EEG-Subventionsempfänger ein.
Ironie der Geschichte: Offshore-Windkraft ist inzwischen die teuerste Form der erneuerbaren Energien. Strom aus den Mühlen im Meer wird mit 15 bis 19 Cent pro Kilowattstunde vergütet. Für den von RWE-Chef Jürgen Großmann gern verspotteten Strom aus großen Solarparks gibt es ab März nur noch 13,5 Cent, wenn auch ein paar Jahre länger.
Auch bei den Erzeugungskosten liegt Solar in Deutschland inzwischen gleichauf mit Strom vom Meer. Und die Schere öffnet sich. „Fotovoltaik wird tendenziell billiger, Offshore-Windkraft tendenziell teurer“, sagt der Leiter der Abteilung erneuerbare Energien bei der Commerzbank, Jan-Philipp Gillmann.
Ausbau der Windparks im Meer energiepolitisch gewünscht
„Es erklärt sich mir nicht, weshalb man auf die teuerste Lösung setzt“, sagt RWI- Experte Frondel mit Blick auf Offshore-Windkraft. „Alte Windkraftanlagen an Land durch neue zu ersetzen, wäre deutlich billiger.“
Die Förderkürzung bei Solar verbessert die Lage für Offshore-Wind aber sogar – schließlich lassen sich auf See künftig die höchsten Renditen erwirtschaften. Das dürften Großinvestoren und Banken honorieren. Auch energiepolitisch ist der zunächst teure Ausbau gewünscht.
„Offshore-Windkraft ist für die Energiewende in Deutschland unerlässlich, schon, weil wir ein dicht besiedeltes Land sind“, sagt der Chef der Deutschen Energie-Agentur, Stephan Kohler. Zudem weht der Wind recht stetig und verbessert so die Grundlast- Qualitäten der Erneuerbaren.
Fast scheint es, als würden die großen Versorger mit Verspätung ihre Rolle bei der Energiewende finden – und endlich auch an ihr verdienen.